Die Entwicklung der Medizin im römischen Imperium

Die Entwicklung der Medizin in Rom und seinen Städten ist zu Beginn eine eher langsame.

In der republikanischen Zeit wurde die medizinische Behandlung noch von sehr vielen mystischen und magischen Einflüssen durchzogen und ohne ausgebildete Ärzte.

Der pater familias, der Familienoberhaupt, verwaltete das kleine, aber erprobte Wissen über die medicina domestica, den Hausmitteln die zum Teil noch aus etruskischer Zeit (7. Jh. v. Chr. – 2. Jh. v. Chr.) stammten. Diese bestanden zumeist aus Wolle, Öl und Wein mit einigen Zaubersprüchen dazu.

Wenn man bedenkt, dass Hippokrates, ein Grieche, etwa 460 – 380 v. Chr. gelebt hat und die Medizin somit zum ersten Mal umfassend strukturiert wurde und der „Zensor“ Cato (234 – 149 v. Chr.) zu seiner Lebzeit immer noch auf diese Hausmittel schwor, zeigt den konservativen Charakter der römischen Bürger. Dadurch wurde die Popularität der Medizin lange Zeit gehemmt. Hinzu kommt noch das die Feldzüge gegen Griechenland in die Lebzeit von Cato fielen und dieser Umstand sich nicht förderlich auf das Ansehen griechische Exporte in der erstarkenden römischen Republik auswirkte.

 

Die Medizin hat sich also nicht in Italien, sondern im unterworfenen Griechenland entwickelt. Und genau dieser Umstand hat den Start in Italien so verzögert, denn es gibt weniges was griechischer war als die römische Medizin. Der ältere Cato nennt die Griechen in einem Brief an seinem Sohn eine „perverse und unzulängliche Rasse“ und die Ärzte versuchten „Rom zu verderben“. Unglücklicherweise kommt noch hinzu, dass ein bald sehr bekannter griechischer Arzt 219 v. Chr. die Bühne Roms betrat – Arcagathus von Peloponnes, ein Wundarzt (vulnerarius).

Er erhielt sehr schnell den Beinamen „Carnifex“, was wörtlich „Fleischmacher“ bedeutet, wohl wegen seiner Begeisterung für das Schneiden und Brennen. Dadurch verlor seine Anfängliche Popularität sehr schnell. Der Bedarf war aber wohl da, denn er bekam sofort die römische Staatsbürgerschaft, das hieß damals u. a. Steuerfreiheit, und eine Praxis in Rom - und das auf Staatskosten.

Vielleicht war er nicht schlecht, unterlag aber dem Intrigenspiel oder er war tatsächlich nicht sehr gut.

Cato hatte nicht nur die bereits erwähnte Meinung zu den Griechen sondern auch eine Verschwörungstheorie aufgestellt: Aus Rache für die römische Eroberung Hella’s haben sich alle griechischen Ärzte verschworen um „alle Barbaren durch ihre Medizin zu töten“. Da sie listigerweise auch noch hohe Honorare verlangten, verwischten sie jeglichen Verdacht gegen sie .

Arcagathus jedenfalls wurde aus Rom vertrieben und die Stadt erhielt somit ein Aufschub von rund einhundert Jahren bis es der nächste Arzt wagte sich dort niederzulassen. Denn trotz diverser Unterstellungen und Verdächtigungen der konservativen Bürger war die Notwendigkeit für eine medizinische Versorgung vorhanden.

 

Betrachtet man den kosmopolitischen Charakter der Weltstadt Rom, muß man sich allerdings fragen ob sich nicht schon vorher Ärzte dort aufhielten. Somit wäre Arcagathus nur der Erste, der erwähnt wurde. 91 v. Chr. kam Asclepiades von Bithynia nach Rom und eröffnete eine Praxis. Er ist der Begründer der methodischen Schule.

Die Medizin war in ihren griechischen Anfängen eine philosophische Disziplin die sich in verschiedene Schulen unterteilte. Für die Römer war es nicht verständlich warum Medizin eine Wissenschaft darstellen sollte, wenn sie zum einen durch den pater familias und auch von Sklaven angewendet wurde. Das lag natürlich an dem volksmedizinischen Wesen der ursprünglichen römischen Heilkunst.

Asclepiades war zum Glück ein sehr guter Arzt, so gut, das er sogar als Abgesandter des Aesculapius  auf Erden gesehen wurde.

Sein Hauptverdienst war wohl die Anpassung der Therapien an die römischen Bürger, d. h. ein sanfter Umgang mit angenehmen Maßnahmen. Deswegen unterstellte Plinius, allerdings ist er damit allein geblieben, er wäre ein Scharlatan und ein Angeber der viel Aufhebens um seine angeblichen Wunderheilungen macht.

 

Plinius selbst war, ähnlich wie Cato, gegen Ärzte  nicht jedoch gegen deren Medizin.

Seine Ressentiments rührten nicht von einer griechischen Abstammung her, sondern der Honorargedanke des Arztes an sich widersprach Plinius‘ Vorstellung der römischen gravitas, der römischen Würde. Er stellte fest das „nicht die Scham, sondern die Konkurrenten“ das Honorar drücken und das am Bett von lebensbedrohlich Erkrankten um das Honorar gefeilscht wurde . Hinzu kam das regelrechte Buhlen um die Gunst der „kleinen Leute“ indem die Ärzte mögliche Patienten „einluden“ ihre Praxis zu betreten . Eine Selbstmedikamentation war damit durchaus vertretbar denn man konnte, seiner Meinung nach, sich selber mehr vertrauen als einem Arzt der nur das Geld des Patienten wollte. Plinius der Jüngere sorgte bei einer schweren Erkrankung seines Vorlesers Encolp aber schon dafür, dass sich mehrere Ärzte um seine Genesung kümmerten. Encolp bekam dadurch eine Behandlung wie sie sonst nur der Oberschicht vorbehalten war und überlebte.

 

Im ersten Jahrhundert nach Christus glätten sich die Wogen und die griechische Medizin wird anerkannt. Zwar blieben kleinere Zweifel im konservativen Lager, aber da jeder krank werden konnte gab es die Notwendigkeit für Ärzte. Sogar in den militärischen Bereich wurde die Medizin systematisch eingeführt. In diesem Jahrhundert können gleich mehrere medizinische Schriften erscheinen, die prägend für die Entwicklung der Medizin waren.

Allen voran steht aus pharmakologischer Sicht Dioskurides Pedanios mit seinem Werk „De materia medica“. Seine Auflistung war so genau und umfassend, dass sie sich bis in das 19. Jahrhundert hinein als Nachschlagewerk von hohem Stellenwert hielt.

Eine interessante Rezeptsammlung ist auch von Scribonius Largus überliefert, einem römischen Freigelassenen.

Aus allgemeinmedizinischer Sicht war die Veröffentlichung des Buches „Über die Arztneiwissenschaft“ Aulus Cornelius Celsus ein Meilenstein. In acht Büchern werden sämtliche Disziplinen der damaligen Medizin beschrieben, von Aderlass über Ernährungslehre bis zur Chirurgie.

 

Im zweiten Jahrhundert lebte, heilte und schrieb der wohl bekannteste Arzt der Antike, Galen. Er beendete die medizinische Entwicklung durch seinen Genius. Als unumstößlich wurden seine Erkenntnisse gewertet und erstickten neue Entdeckungen im Keim. Erst ca. 1500 Jahre nach Galen begann wieder ein freieres Forschen und führte Anfang des 20.Jhd zu einer Wissensexplosion in der Medizin, die uns auf unseren heutigen Stand gebracht hat.